
In Sachsen-Anhalt steht der Rettungsdienst vor großen Herausforderungen. Am 2. März 2025 wurde berichtet, dass der Fachkräftemangel, lange Anfahrtszeiten und eine hohe Anzahl an Bagatellbenachrichtigungen die Notfallversorgung beeinträchtigen. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, wird seit Oktober 2024 das Telenotarzt-System getestet. Dieses innovative Konzept soll eine Entlastung für die Rettungskräfte bieten und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern.
Der Telenotarzt Hartmut Stefani, der in Halle arbeitet, hat die Möglichkeit, bis zu drei Patienten gleichzeitig über eine Bild- und Tonübertragung sowie Vitaldaten in Echtzeit zu betreuen. Insgesamt sind 21 speziell geschulte Notärzte im Rahmen dieses Pilotprojekts im Einsatz. Die Testgebiete umfassen die Landkreise Mansfeld-Südharz, Saalekreis und die Stadt Halle. Diese Maßnahme wird durch eine Innovationsklausel im Rettungsdienstgesetz Sachsen-Anhalt unterstützt, die zeitlich befristete Ausnahmeregelungen ermöglicht.
Testlauf und Zukunftsperspektiven
Das Telenotarzt-System wurde ursprünglich 2014 in Aachen eingeführt, und die aktuellen Tests in Sachsen-Anhalt haben die Stabilität der Mobilfunkverbindung zwischen Telenotarzt und Rettungswagen bestätigt. Bei insgesamt 250 Einsätzen traten nur fünf Verbindungsprobleme auf. Der Testbetrieb findet derzeit von Montag bis Freitag, in der Zeit von 7 bis 19 Uhr, statt. Erste Erfahrungen sind positiv, jedoch steht eine Entscheidung über eine landesweite Einführung noch aus. Zudem wird die Möglichkeit eines zweiten Projekts in nördlichem Sachsen-Anhalt geprüft.
Ein Fachgespräch über den digitalen Rettungsdienst und die Rolle des Telenotarztes fand am 27. November 2024 statt. Dort wurde die Verbesserung der notärztlichen Versorgung im Rahmen des Pilotprojekts erörtert. Dieses Projekt zielt darauf ab, eine schnellere und gezieltere Hilfe zu leisten und langfristig die Kosten im Rettungsdienst zu senken. Die Diskussion um die flächendeckende Einführung des Telenotarztes ist eng verbunden mit dem IVENA-System, das als wichtige Schnittstelle für eine präzise Patienten-Zuweisung fungiert.
Politische und gesellschaftliche Debatte
In politischen Kreisen gibt es eine rege Diskussion über die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung im Rettungsdienst. Tobias Niemann vom Malteser Hilfsdienst fordert eine Standardisierung und Digitalisierung in Sachsen-Anhalt. Dr. Karsten zur Nieden, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst in Halle, betonte, dass der Telenotarzt ein wichtiges zusätzliches Werkzeug sei, das jedoch bei akuten Lebensgefahren nicht den menschlichen Notarzt ersetzen könne.
Die Erwartungen an die Einführung des Telenotarztes sind hoch: Ein Rückgang der Notarzteinsatzfahrten (NEF) um bis zu 20 Prozent wird angestrebt. Gleichzeitig gibt es Bedenken, dass der menschliche Kontakt im Notfall verloren gehen könnte. Diese Bedenken werden von mehreren politischen Vertretern geäußert, darunter Andreas Henke (Die Linke) und Rüdiger Erben (SPD), die einen sensiblen Umgang mit der Digitalisierung im Rettungsdienst fordern.
Die Integration digitaler Innovationen in bestehende Strukturen ist ein zentrales Thema in der Debatte. Der stellvertretende Landrat Götz Ulrich betont die Bedeutung integrierter Leitstellen und fordert eine bessere digitale Vernetzung über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Der Strukturwandel im Rettungsdienst ist ein komplexer Prozess, der die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen muss.
Für die Testphase des Telenotarzt-Systems zeigt es sich bereits jetzt, dass Patienten positiv auf die neue Behandlungsmethode reagieren. Eine Ablehnung seitens der Bürger ist bislang nicht zu verzeichnen, was auf ein gewisses Vertrauen in die digitale Unterstützung der Notfallversorgung hinweist. Die Pilotphase wird weiterhin genau beobachtet, um die Auswirkungen des Telenotarztes auf die notärztliche Versorgung langfristig zu evaluieren. Weitere Informationen finden Sie auf MDR, vdek und Spectaris.